Peccia, 29. Mai 2021
«Wie leicht ist es doch, einen Stein zum Sprechen zu bringen. Man braucht ihn nur mit ins warme Bett zu nehmen und ihn gut unter der Federdecke anzuwärmen. Kaum ist er warm, erzählt er die längsten Geschichten. Er wird freundlich und gibt dem Bildhauer gute Ratschläge für seine Arbeit.»
(Jean Arp)
Fangen wir mit dem Stein der Weisen an, er verkörpert uraltes Wissen der Druiden, das heisst, er birgt in sich eine Kraft, eine Sprache, ein Geheimnis, welches zur Erkenntnis führt, dass das Universum unendlich ist und wir nur ein kleines Sandkorn in diesem Kosmos sind.
Der Mensch schlechthin ist nicht mehr und nicht weniger, als seine Erfahrung und Erkenntnis.
Nun diese Erfahrung ist etwas Übersinnliches, universelles und göttliches und er beginnt eine Sprache zu suchen, um in Ritualen und Zeremonien dem sogenannt Schöpferischen, nahe zu kommen.
Steinkreise, Dolmen, Opfersteine und Gegenstände entstehen, um mit den übersinnlichen Kräften in Verbindung zu treten.
Die Kult- Gegenstände sind eigentlich die ersten Objekte, welche den Sinn verkörpern und den Zweck verfolgen, den Weg der Zivilisation zu beeinflussen und in eine bestimmte Richtung zu bewegen.
Die Objekte waren Gefässe, Werkzeuge, Fetische und Skulpturen und standen für ihre Schönheit, ihre Kraft und Weisheit und man sprach ihnen meistens magische Kräfte zu. Sie waren
der Beginn und Ausgangspunkt des schöpferischen Prozesses, welcher sich in Form von Objekten und Skulpturen, zeigte.
Nun möchte ich die Vergangenheit hinter uns lassen und den Schritt in die Gegenwart nehmen.
Der Steinbildhauer- Kunst auf den Grund zu gehen ist kein leichtes Unterfangen und eine anspruchsvolle Aufgabe. Die Kunst hat sich in den letzten hundert Jahren sehr verändert und heute ist das Material Stein leider schmerzhaft untervertreten oder auch zum Teil ganz von der Bildfläche verschwunden. Es gibt zwar immer noch Länder, zum guten Glück, wie Japan, Korea, Indien, China, in Südamerika und in den osteuropäischen Ländern, in welchem Stein noch immer ein sehr gefragtes Material ist. Es sind dort vor allem Bildhauer und Künstler, welche mit dem Stein fest verbunden sind.
Der Stein ist in unserem Kulturkreis ein Symbol des Zeitlosen, der Unsterblichkeit, der Macht. Er besitzt die Fähigkeit unsere Sinne zu öffnen, er zieht uns an, wir möchten ihn berühren, möchten ihn riechen, abtasten und seine Millionen Jahre alten Furchen spüren.
Ich für mich, glaube an seine Schwingungen, welche ihm Kraft und Schönheit verleihen, so dass wir mit ihm verbunden sein können.
Der Rede kurzer Sinn, Stein ist Stein und der Weg ist manchmal steiniger, als wir denken, doch das ist nur eine Seite.
Entsteht eine Skulptur in Stein, dann ist das ein langer Prozess, es sind gewisse Dinge zu berücksichtigen, es sind Naturgegebenheiten zu kennen und zu beachten, die Beschaffenheit des Steins zu lesen, gewisse Schritte und Vorgehensweisen zu beachten und last but not least, den Stein, das Material, zu spüren, um einen Weg oder den bestmöglichen Weg zu finden, um mit der Arbeit und dem Prozess beginnen zu können.
Um etwas Zeitloses zu schaffen, braucht man Zeit, dass ist eine Grundvoraussetzung, also nehmen wir uns nicht zu viel vor, was das Tagessoll anbelangt, sondern versuchen lieber bewusst und Schritt um Schritt vorwärtszugehen. Für mich ist Zeit von unschätzbarem Wert und ein entscheidendes Element in dem Prozess der Entstehung einer Steinskulptur.
Der Stein, vor allem der Granit und Basalt, ist ein sehr dichtes und kompaktes Material. Durch seine Härte besitzt er die Fähigkeit in verschiedenen Farben, Oberflächen und Strukturen, der Skulptur Leben einzuhauchen. Gerade seine Dichte verleiht ihm eine unheimliche Kraft und Ausdruck, so dass der Eindruck entsteht, er sei schon immer hier gewesen.
Diese Presenz, nebst natürlich vor allem dem Ausdruck der Skulptur, ist wirklich einmalig und unübertroffen. Ein Monolith ist ein Solitär und mir sind Steine einfach sympathisch und ans Herz gewachsen, es ist wie eine Liebesgeschichte, die in Stein gemeisselt ist und welche schon sehr, sehr lange einfach da ist.
Die Skulptur besteht aus Licht und Schatten, man könnte auch sagen, der Raum, welche eine Skulptur umgibt und einnimmt, lässt sie erst zur Plastik werden.
Dass ist für mich ein Sinnbild, wer nimmt den Raum um sich überhaupt wahr? Sind wir nicht alle meistens mit unserem Focus beschäftigt, dem Focus, wo wollen wir hin, wer sind wir und vor allem wo sind wir? Die Wahrnehmung in der heutigen Zeit hat sich rasant verändert, so schnell, denke ich manchmal, dass wir gar keine Zeit mehr haben und finden, um uns zu fragen wo überhaupt unsere Mitte liegt und wohin die Reise gehen soll.
Wenn man heute der jüngeren Generation von Künstlerinnen begegnet, dann benötigt man vielfach ein Manual einen Diskurs, Zeit und den Willen sich auf z.B. eine Installation einzulassen. Zum Teil sind die Themen sehr spannend und sozialkritisch und politisch, doch leider besteht da meistens eine Diskrepanz zwischen Bertachter und Kunstwerk und Künstler, man könnte auch sagen zwischen Materie und dem nicht visuell sichtbarem. Die Essenz des Kunstwerkes lässt sich nur annähernd erahnen und ebenso die Aussage des Künstlers.
Die Materialien sind vielfältig und austauschbar, eine Materialwahl gibt es, doch sie hat heute eine ganz andere Bedeutung und einen anderen Stellenwert, als früher. Dass ist weder schlecht noch gut, doch es zeigt, dass die Materialwahl heute anders ausgerichtet ist und dadurch eine andere geworden ist.
Es ist ein Generationenwechsel im Gange und die ältere Generation von Bildhauern und Künstlern wie, Anish Karpoor, Tony Cragg, Richard Serra, Olafur Eliasson, Anthony Gormley, Andy Goldsworthy und Damien Hirst sind auf einem anderen Weg, ihrem Weg.
Vorbilder und weltbekannte Bildhauerinnen und Bildhauer, wie Barbara Hepworth, Sophie Taeuber-Arp, Louise Bourgeois, Eva Hesse, Isamu Noguchi, Igor Mitoraj, Anthony Caro sind fast schon in Vergessenheit geraten, dass ist der Lauf der Dinge, das Zeichen der Zeit, doch ich frage mich manchmal, wo geht die Reise noch hin?
Zum Stein in der Kunstwelt von heute, da fällt das Fazit sehr bescheiden aus, ganz anders, als in der zeitgenössischen Architektur. Die klassische Skulptur in Stein ist am Verschwinden und in Ausstellungen faktisch nicht mehr präsent. Gründe hierfür gibt es viele, doch sie ändern an dieser Situation wenig.
Ein Sinnbild dafür könnte sein, die Geschichte und die momentane Lage der Steinbrüche, welche den Fluch und den Segen zugleich der Globalisierung zu spüren bekommen, man nehme dazu den Ausverkauf der Steinbrüche in Carrara nach Saudi-Arabien.
Wie schon vorher erwähnt ist die Zeit ausschlaggebend für die Wahl eines Materials. Es sind verschiedene Aspekte, welche ins Gewicht fallen, da wären die Kosten, das Gewicht, Transporte und die Arbeitsintensität.
Die heutigen Künstler arbeiten mit verschiedenen Materialien, und der Stein ist, wenn es hochkommt, ist fast nie die erste Wahl. Ich denke, dass vor allem renommierte Künstler sich für Stein entscheiden und entscheiden können.
Es kommt hinzu, dass die konzeptuelle Kunst sich auf sogenannt zeitgenössische, moderne und zum Teil von der Industrie gefertigte Materialien eingestimmt haben. Sie haben den Vorteil, relativ kostengünstig zu sein, schnell aufgebaut- und wieder abgebaut werden können und somit an Ausstellungen in den Kunstmuseen auf der ganzen Welt gezeigt werden können.
Diese Objekte, Skulpturen und Installationen stehen für unsere Zeit, für das Zeitgeschehen, vielfach sind sie Multiples und nehmen den Geist auf eine andere Reise, als eine die Skulptur in Stein der Moderne.
Die Sinnbilder dieser Ausstellungen sind vielfach didaktischer Art und weniger Gegenstand einer tieferen Auseinandersetzung mit der Materie Kunst. Alles ist vergänglich, aber manchmal auch nur ein Sturm im Wasserglas, zu schnell verflüchtigt sich die Faszination, die Aussage, das Schöpferische.
Nun gut, man könnte auch sagen, die Aussage beruht auf einer Message und die wäre, ich habe etwas zu sagen, mitzuteilen und zu zeigen, um einen physischen und gedanklichen Prozess in Gang zu bringen.
Steht natürlich wieder die Frage im Raum, wie langlebig ist die Aussagekraft der Objekte, Installationen etc. und vor allem wie nachhaltig sind und wirken sie.
Wie geht es nun weiter mit der Frage Stein und Sein. Ich denke, dass die Steinbildhauerei ihren Weg weiter gehen wird, weil sie auch heute noch in unserer Zeit etwas zu sagen hat und dass wäre vor allem das Innehalten und den Frieden und die Kraft spüren, welche von ihr ausgeht.
Die Frage einer Wiedergeburt steht im Raum und fordert ein Zeitfenster, welches es dieser Form nicht gibt, sicher ist nur, dass der Stein in irgendeiner Form überleben wird und wichtig ist zu wissen, dass Steinskulpturen etwas ganz Besonderes, Einmaliges und Schönes sind.
Der Stein ist eigentlich ein edles Material und vielleicht könnte dies der Schlüssel sein, für ein langes Leben, vielleicht ein etwas Bescheideneres, aber nicht weniger gutes und schönes.
Ich glaube, ich habe da etwas gefunden, die Mitte ist in mir, nicht ausserhalb von mir, sondern im Bewusstsein, dass es alles nur einmal gibt, da will ich unbedingt hin, ins Reich der Sinne, wo der Stein bricht.
Und nun möchte ich noch abschliessend das Wort an einen bedeutenden Künstler des letzten Jahrhunderts übergeben.
«Die Materialien spielen in der Plastik eine der wichtigsten Rollen. Die Entwicklung einer Plastik wird durch ihr Material bestimmt. Das Material bildet die emotionale Grundlage einer Plastik, es gibt ihr den Grundakzent und bestimmt die Grenzen ihrer ästhetischen Wirkung.
Die Quelle dieser Tatsache liegt tief in der menschlichen Psyche verborgen. Ihre Natur ist nützlich und ästhetisch. Unsere Bindung an die Materialien beruht auf unserer organischen Ähnlichkeit mit ihnen. Auf diese Artverwandtschaft gründet sich unsere ganze Verbindung mit der Natur.
Die Materialien stammen wie die Menschheit von der Urmaterie ab. Ohne diese enge Verbindung mit den Materialien und ohne dieses Interesse an ihrer Existenz wäre der Aufstieg unserer gesamten Kultur und unserer Zivilisation unmöglich gewesen.»
(Naum Gabo)